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1. Bayreuther AAL-Kongress

Informationsveranstaltung

1. Bayreuther AAL Kongress für barrierefreies und technikunterstütztes Leben
Ambient Assisted Living_19Über 100 Teilnehmer informierten sich aus erster Hand über Trends und Fördermöglichkeiten

Der Sitzungssaal der Handwerkskammer war am 9. Dezember mit über 100 Teilnehmern brechend voll. Der erste AAL-Kongress beleuchtete das Thema barrierefreies und technikunterstütztes Leben in all seinen Facetten. Hinter dieser Thematik steht der demographische Wandel, der uns in den nächsten Jahren noch viel Kopfzerbrechen bereiten wird, so Handwerkskammerpräsident Thomas Zimmer und nannte als Stichpunkte den Fachkräftemangel und die künftige Unterstützung und Betreuung älterer Menschen. Technikunterstütztes Leben bedeutet umgekehrt aber auch neue Chancen für das Handwerk, so Zimmer. Nicht nur, dass in den nächsten Jahren Millionen von Wohnungen altersgerecht umgebaut werden. Hinter dem Begriff technikunterstütztes Leben stehen bauliche Maßnahmen und technische Lösungen, die auch für jüngere Zielgruppen interessant sind, weil sie ganz einfach ihren Wohnkomfort zu Hause verbessern möchten.

Damit ältere Menschen möglichst lange zu Hause ein selbstbestimmtes Leben führen können, werden alleine in Deutschland bis zum Jahr 2022 drei Millionen Wohnungen altersgerecht umgebaut werden müssen, erläuterte Verena Freund, Leiterin des Aufgabenbereichs Senioren im Landratsamt Coburg. Wichtig, so Freund, für das Handwerk ist, dass 40 bis 60 Prozent des Umsatzes daraus dem Handwerk und hier insbesondere dem Bau- und Ausbaugewerbe zukommen werden. Dabei, so Freund, ist es für Handwerksbetriebe nicht nur wichtig, zu wissen, was die Menschen brauchen und welche Lösungen es im Bereich Wohnraumanpassung gibt. Auch für die Kommunen wäre es interessant, zu wissen, welche Betriebe sich auf den Bereich altersgerechtes Wohnen bzw. technikunterstütztes Leben spezialisiert haben. Ein Siegel mit dem Markenzeichen generationenfreundlicher Betrieb wäre für uns sehr hilfreich, so Freund.

Die Architektin Maria Böhmer ging auf die DIN-Norm 18040 Barrierefreies Bauen ein (Hinweis der Redaktion: Die Teile 1 und 2 der Norm können hier heruntergeladen werden). Sie stellte detailliert die Anforderungen an Hauseingänge, Türen, Treppen und Geländer oder Sanitärräume vor und erläuterte dies am Beispiel eines Rollstuhlfahrers, der beispielsweise eine Greifhöhe von 85 cm bis 105 cm hat und etwa vor dem Waschbecken oder dem WC Bewegungsflächen benötigt Wichtig: es geht bei Menschen mit Behinderungen auch um Hör- oder Sehbehinderungen, weswegen immer häufiger das Zwei-Sinne-Prinzip angewendet wird: Eine Türklingel muss nicht nur für einen Rollstuhlfahrer erreichbar sein, sie sollte auch ein akustisches und ein optisches Signal haben, damit auch Hörbehinderte erkennen, dass die Klingel tatsächlich ausgelöst hat oder der elektronische Türöffner aktiviert worden ist.

Frau Hauptmann von der KfW- Bankenggruppe stellte anschließend die Fördermöglichkeiten der KfW Bankengruppe vor. Generell, so Hauptmann, ist es wichtig, nicht vorher mit der Maßnahme zu beginnen, ohne zuvor mit der Hausbank gesprochen zu haben, und dieses Gespräch auch dokumentieren. Grundsätzlich können Zuschüsse oder Kredite beantragt werden und es können auch Einzelmaßnahmen gefördert werden.

Was im Bereich AAL technisch bereits alles möglich ist, stellten Nadine Pensky und Stephanie Schmitt-Rüth vom Fraunhofer IIS Erlangen vor: Über Messsysteme, die Vitalfunktionen direkt an den zuständigen Hausarzt übertragen über Bodensensoren, die erkennen, ob die Person in der eigenen Wohnung gestürzt ist und Hilfe benötigt bis hin zu Geofencing-Systemen, die Familienangehörige benachrichtigen, wenn z. B. eine an Demenz erkrankte Person den ihr vertrauten Lebensradius verlässt. „Vieles ist bereits möglich“, so Pensky, „allerdings muss ein großer Teil der Produkte noch auf Marktreife und Alterstauglichkeit geprüft werden. Wir können aber heute bereits viel tun, um das Leben im Alter oder mit Behinderung zu erleichtern.“

Auch Dr. Wolfgang Pfeuffer konnte über viele Erfahrungen im Umgang mit AAL-Produkten berichten, denn die Joseph-Stiftung in Bamberg unterhält ein permanent bewohntes Wohnlabor, das mit einer Vielzahl an technischen Unterstützungen ausgestattet ist. „Eine zentrale Erkenntnis unserer Projekte ist, dass AAL-Produkte die häusliche Pflege nicht ersetzten können. Allerdings leisten sie einen wichtigen Beitrag zur Unterstützung und können dabei helfen, die Kostenexplosion im Gesundheitssystem einzudämmen“, so Pfeuffer. Darüber hinaus sollten die Produkte über ein Universal Design verfügen. „Theoretisch müssen auch die Enkel das Produkt „cool“ finden, sonst findet es keine Akzeptanz“, erklärte der Experte.

Unter dem Titel „Sensibilisierung – Qualifizierung – Zertifizierung“ erläuterte Heiko Betz, Fachbereichsleiter Elektrotechnik bei der HWK, das Fortbildungsangebot der Handwerkskammer für Oberfranken im Themenbereich AAL. Dieses Angebot sukzessive weiter auszubauen, wird einer der Schwerpunkte im Bildungsangebot der HWK in den nächsten Jahren sein. Doch bereits jetzt können Betriebe im Rahmen eines AAL-Kurses das Markenzeichen „Generationenfreundlicher Betrieb“ erhalten, mit welchen sie dann auch werben dürfen. Darüber hinaus wird der Betrieb in eine bundesweite Datenbank aufgenommen, sodass Kunden gezielt nach Fachbetrieben suchen können. Ein Highlight des Kurses im Bereich der Sensibilisierung sind die sog. GERT-Anzüge (Alterssimulationsanzüge). „Damit können wir uns Teilnehmern erlebbar machen, wie es sich im Körper eines alten Menschen tatsächlich anfühlt. Mit dem Anzug wird bereits das Herausziehen eines einfachen Schuko-Steckers zur Herausforderung“, erklärte Betz. Heiko Betz betonte allerdings auch, dass sich AAL-Produkte nicht ausschließlich an ältere Menschen richten, da die technischen Unterschiede zwischen „Smart Home“ und „AAL“ meist nicht wahrnehmbar seien. So Betz: „Was später gegebenenfalls ein unverzichtbares Hilfsmittel (Anmerkung der Red.: AAL) ist, wird vorher als komfortabel (Anmerkung der Red. „Smart Home“) empfunden.“ Die Fortbildung „Generationenfreundlicher Betrieb“ setzt sich aus den vier Modulen Einführung, Marketing, Normen und Finanzierung zusammen und erfordert 16 Unterrichtseinheiten. Dieses ( Link ) und weitere Kursangebote sind unter www.hwk-lernen.de online einsehbar und können dort auch gebucht werden.

Den Flyer „Technikunterstütztes Leben im Alter – Chancen für das Handwerk“ finden Sie hier.